PRO Waldhof fordert Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit in der aktuellen Talk-Medienlandschaft

PRO Waldhof fordert Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit in der aktuellen Talk-MedienlandschaftDurch die deutsche Talk-Medienlandschaft schwappt derzeit eine Welle von Debatten über die angeblich in letzter Zeit stark zunehmende „Fangewalt“ in den Stadien der Bundesrepublik. Man könnte jetzt natürlich eine allgemeine Kritik an der Art und Weise der Diskussionen, an der völlig undifferenzierten Klassifizierung unterschiedlichster Ereignisse als „Gewalt“ und an der auffällig einseitigen Auswahl an Talk-Gästen, welche sich dort äußern dürfen, üben. Dies ist aber, nicht zuletzt weil man bereits in zahlreichen Zeitungen und Onlineportalen kritische Beiträge hierzu finden kann, im Folgenden nicht unsere Intention. Vielmehr wollen wir anhand eines ganz konkreten Beispiels aufzeigen, dass beim derzeit betriebenen „Fan-Bashing“ die Sachlichkeit und auch die Wahrheit auf der Strecke bleibt. Ob nur aus Unkenntnis oder sogar beabsichtigt, wagen wir an dieser Stelle nicht zu beurteilen. Ärgerlich ist es aber allemal, wenn über die Medien Unwahrheiten verbreitet werden.

Was ist also das konkrete Beispiel?
Am Montag, 21.Mai 2012, wurde in der ARD die Talkrunde „hart aber fair“ zum Thema „Gewaltige Leidenschaft – Wer schützt den Fußball vor seinen Fans?“ ausgetragen. Gast war dort unter anderem Johannes B. Kerner, seines Zeichens bekannter Sportreporter und Fußballkommentator. Im Verlauf der Diskussion über den verfrühten Platzsturm der Fortuna Anhänger im Relegationsspiel gegen Hertha BSC merkte Kerner an, dass es im Zusammenhang mit Vorkommnissen bei Fußballspielen „eine neue Qualität“ gebe. Dies machte er an mehrere aktuellen Beispielen fest, die seiner Meinung nach diese These stützen.
„Wenn man nur mal die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit nimmt”, begann er seine Aufzählung. Das Betreten des Spielfelds durch Fans von Borussia Dortmund bei der Überreichung der Meisterschale musste dabei ebenso herhalten wie der Einsatz von Pyrotechnik durch Fans des FC Bayern München beim Champions League Finale. In beiden Fällen erscheint es fraglich, hierin einen Beleg für eine „neue Qualität“ zu sehen, jedoch haben beide Ereignisse immerhin zweifelsfrei stattgefunden. Ganz anders jedoch bei einem weiteren Beispiel, welches Kerner den Zuschauern als Fakt verkaufen wollte und Fans unseres SV Waldhof betrifft.
„Da meine ich Sachen, die gar nicht in die Öffentlichkeit kommen wie ein Überfall von Fans – in Anführungsstrichen – von Waldhof Mannheim. Ein ganzer Bus hat einen Bus von Fans von Darmstadt 98 überfallen. Das ist noch gar nicht so lange her, das ist gar nicht groß durch die Medien gegangen. Daraufhin wurde den allen Stadionverbot erteilt den Mannheimern. Danach ist es keiner gewesen, 50 Unschuldige im Bus gewesen.“

Um es auf den Punkt zu bringen: Diese Aussage Johannes B. Kerners ist in wesentlichen Teilen schlichtweg falsch! Das Vorkommnis, auf das er anspielt, ereignete sich im Oktober 2011. Auf der Raststätte Hohenlohe hielten sich zur gleichen Zeit Fans vom SV Waldhof Mannheim und dem SV Darmstadt 98 auf. Beide Fangruppen waren mit jeweils einem Bus unterwegs. Bedauerlicherweise kam es vor dem Darmstädter Bus zu einer Auseinandersetzung zwischen einigen Fans beider Lager. Wir als Fandachverband der Waldhof-Fans, der sich schon in seiner Satzung entschieden gegen Gewalt ausspricht, verurteilen solche Vorkommnisse auf das Schärfste. Ebenso verurteilen wir aber auch Verleumdungen gegenüber der überwiegenden Mehrheit, der im Mannheimer Bus reisenden Fans. Von einem Überfall des ganzen Mannheimer Busses auf den Darmstädter Bus kann nach den Erkenntnissen der Strafermittlungsbehörden keinesfalls die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Es wurden zwar im Zuge der Ermittlungen nach dem Vorfall gegen alle 57 Insassen des Mannheimer Busses Ermittlungsverfahren eingeleitet, wovon aber bis heute bereits über 40 eingestellt wurden. Die überwiegende Mehrheit der beschuldigten SVW-Fans scheiden demnach als Tatverdächtige definitiv aus.
Daher fragen wir uns, was Herrn Kerner dazu veranlasst, entgegen jeglicher behördlich ermittelten Tatsachen, eine solch unqualifizierte, undifferenzierte und schlichtweg falsche Behauptung über Fans des SV Waldhof Mannheim 07 in die Welt zu setzen und als Fakt zu verkaufen? Mit welchem Recht urteilt er mittels einer nachweislichen Unwahrheit über zahlreiche friedfertige Waldhof-Fans?

Herr Kerner bedauert, dass dieser Vorfall in den Medien nicht ausreichend Erwähnung gefunden habe. Wir wissen zwar nicht, woher er seine Informationen hat, erinnern uns aber, dass zumindest in der lokalen Presse – größtenteils differenziert und sachlich – darüber berichtet wurde. Auch das Präsidium des SV Waldhof nahm zeitnah zum Geschehenen Stellung und forderte dazu auf, behördlichen Ermittlungen nicht durch pauschalisierende Verurteilungen vorwegzugreifen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, an dem noch gegen alle Insassen ermittelt wurde. Mittlerweile ist jedoch der mögliche Täterkreis stark eingegrenzt und es ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Ermittlungen die Zahl der Verdächtigen weiter verringern.

Vor diesem Hintergrund halten wir es für absolut unverständlich und unwahr von einem Überfall eines ganzen Busses zu sprechen. Das wirkt sich nicht nur negativ auf die Glaubwürdigkeit der Person Johannes B. Kerner aus, sondern ist auch der Sache nicht dienlich, wenn in einer Diskussion, die derzeit massiv im öffentlichen Interesse steht, mit Thesen der Kollektivschuld argumentiert wird.

Häufig wird von Fußballfans gefordert, dass sie verstärkt in den Dialog mit Medien, Verbänden und Sicherheitsbehörden treten. Eine Diskussion, welche mit offensichtlich zugespitzten, unsachlichen und sogar nachweislich falschen Behauptungen gegenüber Fans geführt wird, trägt jedoch sicherlich nicht dazu bei, auf deren Seite eine Gesprächsbereitschaft zu erzeugen.

Wir fordern daher alle Beteiligten dazu auf, in der öffentlichen Debatte über eine angebliche „neue Qualität“ bei Vorkommnissen rund um den Fußballsport wieder zur Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit zurückzukehren.

PRO Waldhof e.V.
Im Mai 2012