Eine Nachbetrachtung zum Fangipfel in Berlin

Eine Nachbetrachtung zum Fangipfel in BerlinEs versteht sich von selbst, dass PRO Waldhof den Fans des SV Waldhof Auskunft darüber geben möchte, was am 1. November 2012 auf dem Fangipfel in Berlin besprochen wurde. Sicherlich konnten verschiedene Informationen aus den Medien gewonnen werden, aber da wurde nicht fundiert das Tagesgeschehen erfasst, bzw. manche Medien berichteten unter der Überschrift „Fans diskutieren über Gewalt“ fast ausschließlich über die Ereignisse beim Pokalspiel Hannover 96 gegen Dynamo Dresden. Das Verhalten der Fans beim Spiel in Hannover war äußerst bedenklich, gerade im Hinblick auf den nur einen Tag später stattfindenden Fangipfel. Den Journalisten wurde damit eine Steilvorlage geboten, den Gipfel nur am Rande zu erwähnen und ihn wieder in den viel zu allgemein gehaltenen Kontext „Gewalt“ zu setzen. Gerade das Grundproblem der aktuell völlig verqueren Wahrnehmung bezüglich dieses Themas in Fußballstadien erhielt neuen Nährstoff und verhinderte so die Chance, die Medien fokussiert über den Fangipfel als solchen berichten zu lassen. So bietet sich jetzt aber wenigstens für uns die Gelegenheit, den Tag in seiner Gänze zu würdigen. Dabei sollen für uns prägnante Punkte hervorgehoben und ein Verständnis für die Veranstaltung erzeugt werden. Ein minutiöser Ablauf, einem Protokoll ähnlich ist, ist im Internet unter http://www.textilvergehen.de/2012/11/01/fangipfel-in-berlin-november-2012/ (08.11.12) nachzulesen.

Es waren eigentlich nur Fanvertreter von Vereinen der 1. bis 3. Liga eingeladen worden, aber auch PRO Waldhof wollte an diesem wichtigen Tag dabei sein und erfragte daher, ob eine Teilnahme möglich sei. Letztlich waren wir nicht die einzige Fanvertretung eines unterklassigen Vereins, auch andere erkannten den Ernst der Lage und waren anwesend. Am Ende des Tages bestätigte es sich, dass es wichtig war, dabei gewesen zu sein und auch im Nachhinein erhielten wir großen Respekt für unsere Teilnahme. Der SV Waldhof, bzw. seine Anhängerschaft, ist eben doch noch ein Gewicht, das man gerne bei solchen Aktionen im Boot hat.

Die Fans von Union Berlin und ihr Dachverband hatten, das merkte man sofort, ein professionelles Konzept auf die Beine gestellt. Viele Medienvertreter wurden eingeladen, eine toller Veranstaltungsort bereitgestellt, interessante Redner eingeladen und die Besucher bestens versorgt. Das alles fand nicht nach großem Gerede à la „wir könnte ja mal und wir sollten mal“ statt, sondern innerhalb von zwei Wochen schritt Union zur Tat und ging als leuchtendes Beispiel voran. So viel Engagement würde man sich manchmal auch woanders wünschen.

Eine Nachbetrachtung zum Fangipfel in Berlin

Begrüßt wurden die Gäste von Union-Pressesprecher Christian Arbeit, der souverän durch den Tag leitete, welcher am Ende aber auch Spuren, in Form von Müdigkeit, hinterließ. So stand der erste Themenblock der Veranstaltung unter dem Motto „Zusammenfassung der Ereignisse und Fragestellungen formulieren“. Conny Laudamus, Fan von Union, zeigte allen noch mal auf, wie es überhaupt zum Fangipfel gekommen ist. Auslöser war der Sicherheitsgipfel von DFL und DFB, an dem zwar Verbände, Vereine und Politik teilgenommen hatten, die Fans jedoch nicht. Union Berlin entschied sich deshalb, als einziger Verein der ersten drei Ligen, an dieser Veranstaltung nicht teilzunehmen. Im September dieses Jahres wurde dann ein Positionspapier der DFL mit dem Namen „Sicheres Stadionerlebnis“ an die Vereine verschickt. Relativ schnell gelangten dessen Inhalte an die Fans und genau so schnell wurde Kritik darüber laut. Wichtig ist es dabei jedoch zu betonen, dass nicht alles an diesem Papier schlecht war. Hauptkritikpunkte waren die neuen und verschärften Sicherheitsmaßnahmen, der Ausschluss der Fans bei der Erstellung des Papiers, der nicht empirisch belegte Gewaltanstieg des Papiers, ein drohender Datenschutzmangel, die Rechtswidrigkeit vieler Maßnahmen, die pauschale Verurteilung ganzer Gruppen sowie der Gebrauch von Stehplätzen als Druckmittel auf die Fans. Auf den Punkt gebracht, ging es um die Entwicklung der Fankultur und das Stadionerlebnis in Deutschland, da wollten wir, als Vertreter der Faninteressen, auch eingebunden werden.

Der anschließende Referent Sig Zelt zeigte deshalb auf, dass nach der Kritik der Vereine die DFL von ihrem Standpunkt abrückte und das Papier auf einmal nur als vorläufige Diskussionsgrundlage bezeichnet hatte. Insgesamt gab es nur drei Vereine, die das Papier öffentlich so akzeptieren wollten. Der nächste Kritikpunkt Sig Zelts war die aktuelle Verteilung der Verhältnisse im Fußball.

Aktuell müssen die Vereine Vorgaben von oben, also den Verbänden, an ihre Fans weiterreichen. Ideal wäre es nach Sig Zelt jedoch, wenn die Fans ihre Vereine beauftragen könnten und die Angelegenheiten nach oben weitergeben würden. Zudem sind die Fans die Basis des Fußballs und sollten daher auch das stabile Fundament bilden. Natürlich war dieser Ansatzpunkt lobenswert und enthält einen wahren Kern, scheint in kommerzialisierten Zeiten aber etwas unrealistisch. Dennoch glauben wir, dass sie einen wahren Kern enthält und sollte somit zumindest in Teilen umgesetzt werden. Zelt brachte es auf den Punkt: „Wir sind der Fußball!“. Wunsch und Ziel für Zelt sei ein Bündnis für den Fußball, in dem zwischen DFB/DFL, den Vereinen und Fans eine wechselseitige Beziehung stattfinden wird. Abgeschlossen wurde sein Vortrag mit dem mehr als treffenden Zitat von Benjamin Franklin: „Diejenigen, die bereit sind grundlegende Freiheiten aufzugeben, um ein wenig kurzfristige Sicherheit zu erlangen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.“

Eine Nachbetrachtung zum Fangipfel in Berlin

Helge Meves fasste im Anschluss die Positionen der Politik und Polizei zusammen. Äußerst interessant sei es, dass die Bundesregierung in ihrem „Nationalen Konzept Sicherheit und Sport“ aus dem Oktober 2011 aufzeigt, dass es seit 2000 keine Veränderungen bei der Gewalt im Fußball gegeben hat und nur ein kleiner Teil der Stadionbesucher gewalttätig in Erscheinung tritt.  Darin wird auch der verstärkte Dialog mit Fans gefordert. Auch weitere finanzielle Mittel für präventive Maßnahmen, wie  die Fanprojekte, werden zugesagt, sowie der Erhalt von Stehplätzen. Man wundert sich also umso mehr, wenn die Politiker in den Medien damit drohen, „Fanprivilegien“ wie Stehplätze abzuschaffen und auch darüber hinaus auf einen Konfrontationskurs mit den Fußballfans gehen. Man kann es nur damit begründen, dass viele Politiker keinen fußballerischen Sachverstand haben und im Vorfeld von Wahlen das Image eines Machers vermitteln wollen.

Nach der Pause richtete Andreas Rettig, designierter Geschäftsführer der DFL, ein paar Worte an die Fans. Es sei ihm wichtig zu betonen, dass das Signal gehört wurde und die Zeit der verbalen Abrüstung gekommen ist. Rettig appellierte jedoch auch dafür, andere Positionen zu akzeptieren und erinnerte daran, dass auch Fans unterschiedliche Standpunkte vertreten würden. Für die DFL sei es auch immer ein Spagat für eine Akzeptanz bei der Polizei, den Fans und den Vereinen zu sorgen. Insgesamt kam sein kurzer Vortrag gut an, aber zu großem Applaus konnte sich dann doch kaum einer durchringen. Dafür ist man auf Grund der Erfahrungen aus der Vergangenheit (siehe abgebrochener Dialog bei der Pyrokampagne) vielleicht doch etwas vorsichtiger geworden.

Nach Rettig war der DFL-Justiziar Jürgen Paepke an der Reihe, der selbst bei der Erstellung des Sicherheitspapiers beteiligt gewesen ist. Sein Auftritt war, dass muss man so deutlich sagen, ziemlich schwach. Er verhedderte sich in unterschiedlichen Interpretationen beim Stichwort Ganzkörperkontrollen und konnte auf Wortmeldungen von Fans nicht adäquat reagieren. Einer Dame aus dem Publikum reichte es irgendwann und sie sah sich genötigt, dem Mann deutlich zu machen, was Ganz- oder Vollkörperkontrollen eigentlich bedeuten: „Ich muss mich jedes Wochenende so anfassen lassen, wie es andere nur machen dürfen, nachdem sie dreimal mit mir Essen waren“. Im Raum brandet großer Applaus auf und Herr Paepke wusste nun auch nicht mehr, was er eigentlich noch sagen sollte. Ein Berliner brachte es mit „dit hätte eben alles och janz anners lofen können“ auf den Punkt. So räumte Paepke ein, dass da in der Kommunikation viel falsch gelaufen sei und gelobte Besserung.

Eine Nachbetrachtung zum Fangipfel in Berlin

Es folgte der beste Auftritt des Tages, Sven Brux, Sicherheitsbeauftragter des FC St. Pauli kam dann zu Wort. Brux, heute in leitender Funktion bei seinem Herzensverein tätig, hatte viele unbequeme Themen für Ultras und Fans auf der Agenda. Dennoch waren seine Worte glaubwürdig, denn er entstammt selbst der Fanszene. Trotz kritischer Töne kam sein Vortrag gut an, auch wenn der Zwischenapplaus manchmal schwach ausfiel.  Er stellte zu Beginn die Grundsatzfrage, wem der Fußball eigentlich gehöre. Antwort: Niemanden alleine. Viele Parteien sind an dieser Sportart beteiligt, dass gelte es auch immer zu berücksichtigen. Wie auch bei der DFL bemängelte er, dass es auch in den Reihen der Ultras viele Quereinsteiger gebe, die nicht unbedingt durch den Fußballsport an das Geschehen herangeführt werden. Damit liegt er sicherlich nicht falsch. Des Weiteren kritisierte er den Staat, der sich durch Kürzungen für Fanprojekte aus der Verantwortung stehle. Anschließend folgten ein paar Ausführungen zum Thema „Pyrotechnik“. Auch wenn das Projekt „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ aus seiner Sicht nie funktioniert hätte, so wäre es dennoch einen Versuch wert gewesen, zumindest den Dialog aufrecht zu halten. Er verwies darauf, wie schwierig das Thema „Pyrotechnik“ für Vereine ist, denn bei der derzeitigen Rechtslage hafte im Verletzungsfall der Verein und damit verbunden eine zuständige Einzelperson in eben diesem Verein. Sicherlich ein interessanter Fakt, über den sich auch noch nicht viele zuvor Gedanken gemacht haben. Am Ende des Themenblocks „Pyrotechnik“ stellt er die Frage, ob es diese wert sei, dafür alles auf’s Spiel zu setzen, was Fans sich erarbeitet hätten. Anschließend schwenkte er auf das heute bereits kräftig diskutierte Thema Sicherheitskontrollen im Stadion um und kritisierte, dass dort die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt werde. Zum Schluss seines Vortrags kritisierte Brux, dass manch’ ein Fan sich solidarischer gegenüber einem Kollegen zeige, statt gegenüber dem Verein, den er vorgebe so sehr zu lieben. Das werden viele sicherlich nicht gerne hören, aber ein Funken Wahrheit ist da ganz bestimmt daran. Brux hatte somit zu einem Rundumschlag gegen Vereine, den Staat, die Polizei, die Medien und auch Ultras ausgeholt. Der Spiegel, den er diesen Parteien vorhielt, ist ein realer, er verzerrt nichts. Die Ausführungen Brux’ fanden in den Medienberichten am Abend leider kaum einen Widerhall – Randale in Hannover und eine Persönlichkeit wie Andreas Rettig lassen sich eben doch besser verkaufen.

Am Ende des Tages folgte die kraftaufwändige Erarbeitung eines Abschlusspapiers. Die Unioner hatten dazu schon einige Thesen vorbereitet. Es folgten viele Wortmeldungen, meist mit guten Einwänden und wir waren über die sachliche und konstruktive Art und Weise der Diskussion erstaunt. Am Ende kam ein Abschlussdokument zu Stande, welches die DFL nicht übersehen kann. Das Freibier, welches Union zum Abschluss des Tages spendete, konnten wir leider nicht mehr genießen, denn der Weg nach Mannheim am selben Tag war noch weit. Weit wie der Weg zu einer konstruktiven und ehrlichen Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Fans. Ein Anfang wurde auf dem Fangipfel in Berlin gemacht, jetzt muss der besagte weite Weg aber auch konsequent weitergegangen werden!

Die Abschlusserklärung gibt es hier:

http://www.fc-union-berlin.de/fans/fuma/aktuelle-meldungen/detail/Abschlusserklaerung-des-Fan-Gipfels-in-Berlin-vom-01-November-2012-247c/

Mittlerweile gibt es von Seiten der DFL ein überarbeitetes Konzept. Eine gemeinsame Pressemitteilung der Fanorganisationen “ProFans” und “Unsere Kurve” dazu unter:

http://www.profans.de/pressemitteilung/f…eiterhin-kritik